Wendungen

15.01.2020


Die Zeit: 1758

Der Ort: Rohatyn


Unter diesen neuen Bedingungen kehrt Jakob Frank Ende des Jahres 1758 nach Polen zurück. Ihm musste geschmeichelt werden, und er musste darauf hingewiesen werden, dass sonst möglicherweise andere Anführer die Lehren des Sabbatai-Zwi in Polen-Litauen zur neuen Blüte bringen könnten.

Sobald man Jakob darauf stieß, dass andere ihn überflügeln könnten, wurde er wütend und der Ehrgeiz packte ihn.

Ansonsten muss man sich Jakob  vorstellen, wie ihn Nachman beschreibt, als er von einem anderen Rabbi imitiert wird

würdevoll, träge schlurfte er dahin.

Ein Mann der Tat ist er nicht wirklich.

An den Vorgängen sieht man auch, wie schwer die Frage von Was ist richtig? und Was ist falsch? in einer Gesellschaft zu beantworten ist. Was heute verboten ist, kann morgen erwünscht sein und umgekehrt.

Aus dem Off gibt es hier zwei der wenigen Kommentare, die keinem Sprechenden zuzuordnen sind. Ich nehme an, dass es sich dabei um das Credo von Olga Tokarczuk handelt und sie sich damit auch an ihre polnischen Landsleute wendet. Das ist aber nur eine Meinung:

Lebt man einem Ort, in einer Zeit, bleibt einem nichts übrig, als die geltenden Gesetze dieser Zeit zu achten, doch darf man nie vergessen, dass diese Ordnung nur eine vorübergehende ist.

Ich aber glaube, dass jeder Mensch mit seinem Ganzen Wesen spürt, was wirklich wahr ist, er will es nur nicht wissen.

Für den alten Schor bedeutet der Eiserne Brief nun erstmal, dass er seine Bücher wieder vom Pater Chmielowski zurückholen kann. Als Dank und Anerkennung lässt er auch eines da. Das ist die

Kabbala Denudata, erschienen bereits 1677, in lateinischer Sprache verfasst von Christian Knorr von Rosenroth.

Der Dechant ist froh, dass dieses skandalträchtige Zeugs aus seinem Haus raus ist. Das Geschenk nimmt er auch nicht richtig gerne an, obwohl es mächtig teuer sein muss. Rein guckt er aber trotzdem und ist zu erst mal enttäuscht. Ihm ist das zu viel "poetischer Firlefanz":

Bei uns geht das im Handumdrehen, Gott hat die Welt erschaffen, sechs Tage hat er dafür gebraucht, ein Hausherr, der sich an die Arbeit macht, ohne Zögern, ohne Zaudern.

In der Kabbala

(...) ist alles so verschlungen, alles wirr (...) Ein wundersames Buch.

Eigentlich hätte er schon gerne was gewusst um die ganzen Geheimnisse von Anfang und Ende, Planetenbewegung,  Seelenwanderung.

 Und dieses Buch verkündet nun, es sei nichts Arges daran, wenn auch ein Christ daran glaube, dass wir nach dem Tod in anderen Gestalten wiederkehren.

Und er muss zugeben, dies könnte ein prima Weg der Erlösung sein. Und neue Möglichkeiten der Vervollkommnung und Buße schaffen...

Als er am Nachmittag, dies und noch mehr bedenkend, in den Garten geht und ein wenig jätet, landet er beim Wohlgemuth (Oreganon) und zupft den aus. Dann zuckt er zusammen:

Was aber, wenn nun auch der Wohlgemuth teilhat an diesem großen Werk der Vervollkommnung und wenn auch in ihm ... ja sozusagen Seelen wohnen? Was dann? Und schlimmer noch: Was, wenn er selbst, der Dechant Chmielowski, ein Instrument eben jener Gerechtigkeit ist und just in diesem Moment die sündigen Pflänzlein straft, indem er sie aus der Erde reißt und vom Leben in den Tod befördert?


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