Warschau

16.01.2020


Die Zeit: 1758

Der Ort: Warschau (die informelle Hauptstadt, formell ist die Königsstadt Krakau bis Mai 1791 die Hauptstadt)

Über Polen im Jahr 1758 wird auch ein Urteil gefällt, so weit es die Religionsfreiheit betrifft. Es ist die Frage, ob dies nur für Polen und nur für das 18. Jahrhundert gilt:

Polen ist ein Land, in dem die religiöse Freizügigkeit und der religiöse Hass einander im gleichen Maße begegnen.

Insgesamt herrscht ein Klima des Weltuntergangs.

Dass unter den Juden in Polen ein Mann geboren wird, der seine Religion verlässt, um das Christentum anzunehmen, und viele weitere Juden ihm nachfolgen (...) das soll das Zeichen sein, dass das Ende der Zeit in Polen nahe ist.

Das wird diskutiert in den Stuben und Häusern in Polen. Und es klingt für viele folgerichtig, obwohl oder weil der Antisemitismus nicht nur in der Kurie weit verbreitet ist.

Auf der anderen Seite ist der Hass gegen sie so groß, dass allein das Wort Jude einen bösen Klang hat, die Christen verwenden es als Beschimpfung.

Hinein in dieses Klima soll also der Jakob kommen. Sein Übersetzer in der Türkei, Moliwda, ist nun in Warschau und Umgebung unterwegs und bemüht sich, gute Stimmung zu machen bei den politisch und kirchlich Herrschenden.

Aus der hellen Türkei kommend empfindet er

Das traurige polnische Licht. Das den Menschen in Melancholie versetzt.

Was ihm als nächstes auffällt, je weiter er aus der Stadt heraus kommt, sind unstete Gesellen, die keiner Gemeinde angehören. Stromer, Vagabunden. Solche, die eine Abneigung haben gegen ein geregeltes Leben. Die kann er sich gut vorstellen in einer Gemeinschaft mit Jakob.

Er sieht Wanderhändler, die sich als Geistliche ausgeben. Bettler. Weise Frauen, die sich auch als Engelmacherinnen betätigen, dabei aufpassen müssen, keine Reklame für sich zu machen. Sonst führt der Weg sie direkt auf den Scheiterhaufen oder ins Loch.

Er sieht Bärenführer, Prostituierte, die meistens dem Adel entstammen aber unehelich schwanger wurden und vor der Familie flüchteten.

Jeder in Warschau (...) ist nur mit seinen Dingen befasst, ist eitel und schwach. Jeder hier gibt vor, ein anderer zu sein.

Nichts ist echt polnisch, alles wird von auswärts hergeschafft sieht er:

Hüte aus England, Herrenröcke aus Frankreich, Garderobe im polnischen Stil aus der Türkei.

Alle erzählen Lügengeschichten, Übertreibungen, er selbst macht da auch kräftig mit.

Perfekte Bedingungen für einen wie Jakob also.


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