Aus dem Netz: Die polnischen Bauern im 18. Jahrhundert

29.12.2019

Olga Tokarczuks "Jakobsbücher" (die möglicherweise selbst als polnische Enzyklopädie verstanden werden müssen!?) erzwingen das Nachschlagen von Sachverhalten, die man sich nicht ohne weiteres erklären kann. Mir fielen die Hinweise auf "entlaufene Bauern" auf. Ich googelte also nach "polnische Bauern im 18. Jahrhundert" und stieß auf den öffentlich zugänglichen Teil der Seminararbeit von Sebastian Schneemelcher (Die soziale und wirtschaftliche Lage der polnischen Bauern im 18. Jahrhundert), der ich folgende Informationen entnahm, die ich in Teilen wörtlich wiedergebe:

Im 18. Jahrhundert machten die Bauern in Polen gut einen Anteil von 70% der Bevölkerung aus. Die meisten von ihnen waren angesiedelt auf adeligen Gütern, die anderen auf geistlichen oder königlichen.

Der überwiegende Teil von diesen waren Leibeigene. Manche waren Fronbauern, die zusätzlich zur Bearbeitung des Landes ihres Herren und ihres eigenen Feldes (das das Leben ihrer Familie sicherte) noch Fron-Dienste abzuleisten hatten. Das waren Fuhrwerksdienste, sie mussten Wege und Brücken bauen, Kirchen und Schulen sanieren usw. Diese Arbeiten wurden selbstverständlich nicht entlohnt. Stattdessen mussten sie die Steuern und (Kirchen-)Abgaben, die eigentlich die Herrschaft hätte leisten müssen, auch noch übernehmen.

Andere dieser Leibeigenen waren sogenannte Zinsbauern, die ihre Frondienste in Naturalien und/ oder in Geld beglichen. Als Naturalabgaben kamen vor allem Korn, Geflügel, Eier und Käse in Betracht. War der Gutsherr beispielsweise nicht in der Lage, die Frondienste der Bauern in vollem Umfang zu nutzen, wandelte er die Fronschuld in Geld- oder Naturalienabgaben um oder verkaufte gar überschüssige Arbeitstage an den benachbarten Gutsherren.

Diesem Kreislauf des Schreckens versuchten die Bauern dann durch Entlaufen zu entkommen, um vielleicht selbst stattdessen als Tagelöhner auf einem der Güter anzuheuern.

Sebastian Schneemelcher schreibt dazu: "Trotz der oben vorgenommenen Darstellung war keineswegs jeder Bauer Polens ein Leibeigener und an die Scholle gefesselt. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von freien Bauern prägte das Bild der polnischen Landwirtschaft mit. Der Anteil der freien Bauern variierte regional zwischen 10% (Zentral- und Südpolen) und mehr als 20% (Ermland, Westpreußen und Großpolen). Die freien Bauern wurden oft als "Holländer" bezeichnet, da ein hoher Anteil der im 17. und 18. Jahrhundert eingewanderten Menschen, die den Großteil der freien Bauern ausmachten, aus den Niederlanden stammte. Der Begriff wurde jedoch zunehmend unpassender, da spätere Siedlungen vor allem durch deutsche Einwanderer geprägt waren, die aus Pommern oder der Nordmark geflohen waren. Neben Einwanderern, die ihre persönliche Freiheit bewahren konnten, sind die sogenannten "losen Leute" als zweite Gruppe, die die freien Bauern kennzeichnete, zu nennen. Die losen Leute bestanden vor allem aus Flüchtlingen aus der Fronwirtschaft und aus Abwanderern verarmter Städte. Der Anteil von freien Arbeitskräften auf den Gutshöfen nahm stetig zu, was Fluchtversuche von Bauern zunehmend begünstigte. Die Freibauern hatten oft Ackerland zur Nutznießung auf 30 oder mehr Jahre gegen einen Jahreszins erhalten und konnten gegenüber den Fronbauern gewisse Vorrechte genießen. Freie Religionsausübung, Selbstverwaltung ihrer Dörfer, uneingeschränkte Disposition ihres Privatbesitzes (...) sind als wesentliche Vorrechte zu nennen".


Vielen Dank an Sebastian Schneemelcher. Das Foto mit der Kate stammt von StockSnap, ich habe es auf Pixabay gefunden.


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